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«Die ukrainischen Flüchtlinge sprechen nicht gerne über den Krieg»

Im Februar 2022 begann Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Yvonne Varan von der Beratungsstelle für Flüchtlinge erzählt, wie es den Ukrainern in Herisau heute geht.

  • Rund 170 ukrainische Personen nahm die Gemeinde Herisau in den ersten acht Wochen nach den Angriffen auf. (Bild: Adobe Stock)

    Rund 170 ukrainische Personen nahm die Gemeinde Herisau in den ersten acht Wochen nach den Angriffen auf. (Bild: Adobe Stock)

Mit Kriegsbeginn in der Ukraine flüchteten vor allem Frauen und Kinder aus ihrem Land, das von Russland völkerwiderrechtlich angegriffen wurde. Sie suchten Schutz und verteilten sich über ganz Europa – einige von ihnen kamen ins Appenzellerland. «In den ersten acht Wochen nach den Angriffen nahmen wir rund 170 Personen in Herisau auf», erklärt Yvonne Varan, Bereichsleiterin der Beratungsstelle für Flüchtlinge. «Die Fallzahlen im Jahr 2022 haben sich durch den Krieg verdreifacht.» Knapp zwei Jahre später habe sich die Lage stabilisiert und sei überschaubar geworden. «Wir erhalten nur noch wenige Neuzuweisungen aus der Ukraine. Und jene, für die eine Rückkehr möglich war, sind wieder zurück in ihre Heimat gegangen.»

Die Distanz schmerzt
Die Flüchtenden, die sich noch in Herisau aufhalten, haben sich an das Leben hier gewöhnt. «Sie finden sich im Alltag zurecht und haben gelernt, diese Situation zu akzeptieren – auch wenn sie natürlich nicht glücklich damit sind», sagt Yvonne Varan. «Sie sprechen nicht gerne über den Krieg. Die lange Dauer macht sie müde, sie sind schon lange von ihren Angehörigen getrennt.» Man höre immer wieder, dass sie zurückkehren wollten. Ausnahme seien Familien mit jungen Kindern oder Jugendlichen. «Gerade wenn die Kinder eingeschult sind oder sich die Möglichkeit auf eine Ausbildung ergibt, kann das eine Chance sein.»

Für die Erwachsenen gestalte sich die Situation schwieriger. «In ihrem Herkunftsland haben sie eine verwertbare Ausbildung und Arbeit gehabt», so Varan. «In der Schweiz müssen sie nochmals von vorne anfangen, weil ihre Diplome nicht anerkannt werden und die fehlenden Deutschkenntnisse eine Herausforderung sind.» Das sei oft ein enttäuschender Prozess, denn viele Flüchtende haben Arbeitsvorstellungen, die sich nicht realisieren liessen. «Trotzdem finden immer mehr einen Job und werden wirtschaftlich zumindest teilweise selbstständig.»

Enge Begleitung
Auch die Wohnsituation hat sich in den vergangenen Monaten verbessert. Zwar leben noch immer einige Flüchtende bei Gastfamilien, viele haben aber mittlerweile eine Asylwohnung der Gemeinde bezogen oder eine eigene Wohnung gemietet. «Letztlich befinden sich viele von ihnen in einer Zwickmühle», sagt die Bereichsleiterin. «Zum einen wollen sie sich integrieren, zum anderen ist der Schutzstatus S auf Rückkehr ausgelegt. Die Ukrainerinnen und Ukrainer wissen nicht, ob sie aufgrund der befristeten Aufenthaltsgenehmigung eine echte Perspektive haben.»

Die Beratungsstelle für Flüchtlinge musste ihre Stellenprozente wegen des Kriegs aufstocken. «Dadurch konnten wir eine individuelle Begleitung der Flüchtlinge sicherstellen und schauen, was sie ausbildungsmässig mitbringen, wie es ihnen gesundheitlich geht und wie wir sie sozial integrieren können», erklärt Yvonne Varan. Dabei sei es normal, die Höhen und Tiefen eines Integrationsprozesses zu erleben. «Aber nun sind die Anfangsschwierigkeiten überstanden und wir sind nahe an ihnen dran, um sie auf ihrem Weg weiterhin zu unterstützen.»

Eine Publikation der Gemeinde Herisau.

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