Heimat kann man nicht erklären

Erfolgreiche und berührende Uraufführung des Theaterstücks «Schüblig mit Härdöpfelsalat oder Was ist Heimat» des Schauspielers Hans-Peter Ulli im Kleintheater Stuhlfabrik Herisau.

  • Keylam (Benjamin Heutschi) und Bruno (Hans-Peter Ulli), die Stammgäste des «Bahnhöfli».  (Bilder: zVg)

    Keylam (Benjamin Heutschi) und Bruno (Hans-Peter Ulli), die Stammgäste des «Bahnhöfli». (Bilder: zVg)

  • Wirtin Dora (Graziella Rossi) mit ihren Stammgästen.

    Wirtin Dora (Graziella Rossi) mit ihren Stammgästen.

«Schüblig und Härdöpfelsalat» essen die Figuren auf der Bühne nur einmal – das Publikum geniesst sie vor der Aufführung. Die titelgebende Spezialität von Wirtin Dora ist für ihre Stammgäste so etwas wie Heimat. Um diesen Begriff geht es im Stück von Hans-Peter Ulli, das am 19. Mai in der Stuhlfabrik in Herisau seine Premiere feierte.

Die Tage in der kleinen Beiz verstreichen gleichförmig. Man meint, die nicht vorhandene Uhr im «Bahnhöfli» ticken zu hören. Die Wirtin serviert den Stammgästen täglich das Übliche: ein Glas Wein oder einen Kaffe, dazu Gipfeli, Chips oder Nüssli. Für Bruno und Keylam ist die schlichte Wirtschaft auch ein Zuhause. Der alternde Schauspieler schreibt und philosophiert an seinem Stammplatz; der nicht mehr junge Ire klimpert auf dem Piano – auf Wunsch auch Wiener «Schmachtfetzen». Die drei Protagonisten sind irgendwie Familie, sind einander Heimat. Darum dreht sich die Sammlung von auch autobiografisch gefärbten Szenen. Sie sind durch Lichterlöschen und Musikeinspielungen gegliedert. Hans-Peter Ulli, der in Stein wohnhafte Schauspieler, den man aus den Filmen «Das Deckelbad» oder «Die Geschichte der Katharina Walser» kennt, hat in Italien und Wien gelebt. Seine Frau ist Amerikanerin. Über mehrere Jahre hinweg hat er Gespräche und Szenen gesammelt, die sich in seinem Umfeld zum Thema Heimat ereignet haben. Daraus ist sein Stück entstanden: ein Puzzle aus philosophischen Gedanken, Zitaten von grossen Theatermännern, Erinnerungen an vergangene Tage in Wien oder in Irland.

Heimat ist Vieles

Man ist es nicht mehr gewohnt, dass auf der Bühne (erst recht auf den Bildschirmen), die Zeit gemächlich verstreicht: ohne heftige Dialoge und hektische Bewegungen, ohne «Action», mit Momenten der Stille. Die Zeit dehnt sich im Mundartstück wie wohl in mancher Dorfbeiz. Im Mundartstück «Schüblig und Härdöpfelsalat» gibt es trotz der kaleidoskopartigen Struktur einen Handlungsfaden: Die einst lebensprallen Tage des «Bahnhöfli» sind gezählt: noch etwas mehr als 3240 Stunden bleiben ihm. Es soll einem Investitionsprojekt weichen. Während die Wirtin den Entscheid der Gemeinde gelassen hinnimmt und davon träumt, es sich im Süden gut gehen zu lassen, verzweifelt Bruno fast. Hier sei sein Seelen- und sein Arbeitsort; Dora ist für ihn Heimat. Er verfällt zusammen mit dem hier gestrandeten irischen Musiker in Tatendrang. Ein generationenübergreifendes Kulturlokal könnte man aus dem alten Bahnhofbuffet machen, wenn man das Portemonnaie dazu hätte. Doch Dora ist krank und will auch dies ohne Gegenwehr annehmen.

Der Geschmack von «Härdöpfelsalat»

Die Botschaft der starken Frau lautet: Lasst das Leben auf euch regnen! Und die drei Figuren sind sich einig: Heimat ist Vieles, für jeden und jede etwas anderes; Heimat hat mit Menschen zu tun oder mit dem Geschmack von Doras Kartoffelsalat; in Worte fassen kann man das Heimatgefühl kaum. Im einstündigen Stück gibt es Nachdenkliches und Berührendes – dazu passt das Tempo – und Heiteres. Das Ende ist ungewiss wie das Schicksal. Für ihre Leistungen haben die beiden bekannten Schauspieler, Graziella Rossi und Hans-Peter Ulli, und der multitalentierte Benjamin Heutschi langen herzlichen Applaus erhalten.

Das Kleintheater Stuhlfabrik in Herisau war am Premierenabend voll besetzt. Das Stück wird weiter gezeigt am Freitag 26. und Samstag 27. Mai (20 Uhr).
www.stuhlfabrik-herisau.ch

6
3

Weitere Artikel

Schreibe einen Kommentar