Er wisse nicht, ob es vermessen sei, den Kulturpreis so zu verstehen, dass er dazu aufforderte, Helen Meiers Werk neu und sorgfältig zu lesen, sagte Charles Linsmayer – und zeigte Möglichkeiten auf, wie das Werk der Schriftstellerin so gelesen werden könnte, dass seine über den Tag hinaus gültige Qualität und Unverwechselbarkeit spürbar würden.
In «Lebenleben» schrieb Helen Meier, bei einer Geschichte komme es nur «auf die Betrachtungsweise» an. «Namen und weitere Umstände tun nichts zur Sache.» Das sei ein klares Bekenntnis zur Form, so Linsmayer. Ihre Betrachtungsweise basiere auf ihrer ganz eigenen Sprache – «einer Sprache, die mit einem erfrischend unprätentiösen, Altes und Neues gleichermassen umfassenden Wortschatz und einem kühnen, rhythmisch lebendigen Duktus alle ausgeleierten Pfade verlässt und etwas evoziert, das moderner und unverbrauchter wirkt als vieles, was an Lebensjahren weit jüngere Autoren hervorbringen.»
Helen Meier ist die fünfte Preisträgerin des kantonalen Ausserrhoder Kulturpreises nach Noldi Alder, Hans Schweizer, Rosmarie Nüesch-Gautschi und Paul Giger. Helen Meier habe sich über Jahre in der Ausserrhodischen Kulturstiftung als Mitglied der Arbeitsgruppe Literatur, Theater und Tanz engagiert und deren Tätigkeit als «Verfechterin des genauen und Verächterin des geschwätzigen Worts» mitgeprägt, sagte Regierungsrat Alfred Stricker an der Verleihung des Kulturpreises in der Kirche Trogen.
Helen Meier lebt seit 1998 im Zellwegerpalast in Trogen, in dem sich auch die Kantonsbibliothek befindet, die ihre Leselust zu stillen vermag, wie sie in ihrer Dankesrede verriet. Sie wünschte sich die Verleihung des Kulturpreises im Obergerichtssaal in Trogen; doch es meldeten sich so viele Gäste an, dass die Organisatorinnen kurzfristig in die Kirche umsiedeln mussten, die dann mit rund 130 Gästen proppenvoll war.