«Zeit und Endlichkeit» wuchtig besungen

Am frühen Sonntagabend gastierte der St.Galler Kammerchor mit Solisten und Orchester in der Pfarrkirche Oberegg. Thema war die Vergänglichkeit des Lebens – eine Thematik, die den November prägt und Komponisten aller Epochen zu Höchstleistungen anspornt.

  • Chor, Solisten und Orchester boten ein glanzvolles Konzert. (Bilder: Rolf Rechsteiner)

    Chor, Solisten und Orchester boten ein glanzvolles Konzert. (Bilder: Rolf Rechsteiner)

  • Sie waren die Stars des Abends (von links): Katharina Jud, Gabriela Glaus, Ursina Patzen, Joël Morand und Santiago Garzón Arredondo. Links im Hintergrund: Konzertmeisterin Oriana Kriszten.

    Sie waren die Stars des Abends (von links): Katharina Jud, Gabriela Glaus, Ursina Patzen, Joël Morand und Santiago Garzón Arredondo. Links im Hintergrund: Konzertmeisterin Oriana Kriszten.

Ansporn gab auch Katharina Jud, die das einstündige Konzert mit freier Hand, aber überaus präzise und lesbar dirigierte. Der rund 30-köpfige Kammerchor, mit dem sie seit 2019 zusammenarbeitet, erwies sich als perfekt geschultes und sehr wendiges Ensemble, das nicht nur in wuchtigen Tutti-Passagen, sondern auch im Pianissimo zu Hause ist. Gelungen ist auch die Zusammenstellung des Solistenquartetts: Gabriela Glaus (Sopran), Ursina Patzen (Alt), Joël Morand (Tenor) und Santiago Garzón Arredondo (Bass) bewährten sich solistisch mit dem Background des Orchesters und agierten perfekt als ausgewogenes Quartett im Gleichklang oder Wechselspiel mit Chor und Orchester.

Stimmungsvoller Auftakt

Zum Auftakt spielte Konzertmeisterin Oriana Kriszten (Violine) mit Feingefühl das Adagio aus Sonata I von Tommaso Albinoni, begleitet von der Orgel. «Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Leben», hiess es in der nachfolgenden Choralvertonung von Johann Sebastian Bach – ein musikalischer Streifzug durch das Jammertal, der in melancholischer Stille verklang. Ein Ruck ging durch das Publikum, als die Pauke zum wuchtigen Kyrie KV 341 von Wolfgang Amadeus Mozart aufforderte. Wer sein berühmtes Requiem kennt, hat schnell in die Geisteshaltung des Komponisten hineingefunden. Die Soprane des Chors feierten ihre glanzvollen Momente auf dem Fundament der starken Männerregister, und die Dirigentin entlockte dem Gesamtchor ein sanftes, eindringliches «eleison», das im Ohr haften blieb.

Ruhe vor dem Sturm

Bevor der Männerchor a cappella seine Qualitäten präsentieren durfte, war im Orchester ein grosses Nachstimmen angesagt. Der Grund für diesen Zeitpunkt erschloss sich den Zuhörenden später, denn einem eindringlichen «Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen» von Peter Cornelius folgte lückenlos das Hauptwerk des Abends, das Requiem in c-Moll von Johann Michael Haydn. Dem wellenförmig sich bewegenden Gesang mit spannenden Dissonanzen, dem eindringlich wiederkehrenden Ruf «Heiliger Herre Gott» und gepflegten Pianopassagen folgte eine kurze Stille, bevor das Orchester ins Requiem einführte. Fanfaren lancierten den Chor und alsbald fand sich das Publikum in einer Klangwolke wieder, die keine Wünsche offenliess. Als kleine Ereignisse dürfen die Fuge «quam olim Abrahe promisisti», das sehr transparent gestaltete Sanctus und das zum Himmel aufstrebende «et lux pepetuam» genannt werden. Man meinte die Nähe zu Mozart herauszuhören, doch verhält es sich anders: Mozart ist Michael Haydn nachgefolgt. Er war als Geiger dabei, als dessen Requiem uraufgeführt wurde.

Das Publikum, das das Kirchenschiff fast zur Gänze füllte, dankte mit lang anhaltendem, stehendem Applaus.

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