Kein Notweg ohne Wegnot

Die Standeskommission hat sich mit der Frage befasst, ab wann eine Wegnot vorliegt – und bis wann eben nicht.

  • (Symbolbild: Bigstock)

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Der zivilrechtliche Anspruch auf einen Notweg setzt voraus, dass die damit zu erschliessende Liegenschaft an einer Wegnot leidet. Eine solche liegt erst vor, wenn mit öffentlich-rechtlichen Mitteln nachweislich keine angemessene Erschliessung erlangt werden kann.

Auf einem im Kanton Appenzell Ausserrhoden nahe der Innerrhoder Grenze liegenden Grundstück in der Landwirtschaftszone steht ein nicht landwirtschaftlich genutztes Wohnhaus. Das Grundstück verfügt über keine Zufahrtsstrasse. Um zu einer Zufahrt zu kommen, nahm die Eigentümerschaft mit den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern der angrenzenden Innerrhoder Liegenschaften Kontakt für die Einräumung eines Überfahrtsrechts auf.

Rekurs bei Standeskommission

Weil die Bemühungen scheiterten, gelangte die Eigentümerschaft des Hauses an den für die Einräumung von Notwegen zuständigen Bezirksrat. Dieser verneinte das Bestehen einer Wegnot und wies das Gesuch um Einräumung eines Notwegrechts ab. Gegen diesen Entscheid erhob die betroffene Eigentümerschaft Rekurs bei der Standeskommission.

Hat eine Grundeigentümerschaft keinen genügenden Weg von ihrem Grundstück auf eine öffentliche Strasse, hat sie gestützt auf das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) einen Anspruch, dass ihr die Nachbarn gegen volle Entschädigung einen Notweg einräumen. Eine Voraussetzung dieses zivilrechtlichen Anspruchs ist aber, dass die fragliche Liegenschaft tatsächlich an einer Wegnot leidet.

Dies ist dann der Fall, wenn der Grundeigentümerschaft die für eine bestimmungsgemässe Benutzung des Grundstücks erforderliche Verbindung zu einer öffentlichen Strasse fehlt oder der vorhandene Weg dafür nicht genügt. Eine Wegnot und somit auch der zivilrechtliche Anspruch auf Einräumung eines Notwegs verneint das Bundesgericht aber solange, als die Erschliessung der Liegenschaft auch auf öffentlich-rechtlichem Weg erreicht werden kann. Wer einen Notweg beansprucht, hat darzulegen, dass er erfolglos alles getan hat, um einen Zugang zu seinem Grundstück mit öffentlich-rechtlichen Mitteln zu erlangen.

Das Strassenrecht des Kantons Appenzell Innerrhoden ist nur für das eigene Territorium anwendbar. Da im hier vorliegenden Fall ein Grundstück auf Boden des Kantons Appenzell Ausserrhoden erschlossen werden müsste, gelangt es nicht zur Anwendung.

Einspruch abgewiesen

Bezüglich einer möglichen Erschliessung über das Gebiet des Kantons Appenzell Ausserrhoden hat die Grundeigentümerschaft nicht dargelegt, dass sie erfolglos alles getan hat, um einen Zugang zu ihrem Grundstück über das Ausserrhoder Strassenrecht zu erlangen. Damit sind die Voraussetzungen einer Wegnot und gleichermassen auch für die Einräumung eines zivilrechtlichen Notwegrechts nicht erfüllt. Der Rekurs wurde demgemäss abgewiesen.

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