«Geburtstag auf der Höhe – passt das zur CH-Sippe?»

Die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag nahmen auch dieses Jahr in aller Herrgottsfrühe ihren Anfang auf dem Kronberg. Die Festrede hielt Ludwig Hasler.

  • Aurel Wyser mit dem Säntis und der grössten Schweizerfahne der Welt im Hintergrund.

    Aurel Wyser mit dem Säntis und der grössten Schweizerfahne der Welt im Hintergrund.

  • Thomas Bischofberger überreicht Ludwig Hasler ein originelles Präsent.

    Thomas Bischofberger überreicht Ludwig Hasler ein originelles Präsent.

Am Erstaugustmorgen ab vier Uhr beförderte die luftseilbahn die Gäste auf den Kronberg, gut dreihundert Frühaufsteher. Damit sich alle Teilnehmenden während der 1. August-Feier sicher und wohl fühlten, wurden die Namen und Adressen aller Gäste erfasst. Die Kontrolle wurde den Gästen allerdings mit der Abgabe eines Kronberg-Spitzbuben versüsst. Um fünf Uhr startete die musikalische Unterhaltung mit der «Stegreifgruppe Gonten» auf dem Kronberggipfel. Aurel Wyser verzauberte anschliessend die Gäste mit seinen Alphorn-Klängen. Verwaltungsratspräsident Thomas Bischofberger hiess auch den laut der Zeitschrift DIE ZEIT «wohl erfolgreichsten Vortragsreisenden der Welt», Dr. Ludwig Hasler, willkommen.
Ludwig Hasler stellte die Frage in den Raum, wie es dem Geburtstagskind Schweiz wohl heute gehe. Er betitelt das Jahr 2020 Corona-bedingt als «vertracktes Jahr». Die Antwort lieferte er gleich selber mit der Feststellung, dass es uns eigentlich vergleichsweise ganz passabel gehe. Corona drangsaliere aber auch uns mit wirtschaftlich dramatischen Einbrüchen. Kurzum: eine Krise, wie wir sie nicht kannten. Doch können wir diese Krise als Lehrstück betrachten? Bisher waren wir recht Fortschritts-optimistisch unterwegs. Alles werde gut, ein paar Schritte noch, ein paar Retuschen hier und dort, und wir hätten das Schlamassel hinter uns, wir seien auf dem Gipfel angekommen. Der Sozialstaat werde es richten, die Medizin und die Technik. Nun platze in dieses Weltbild Corona hinein und sage: «Nein, so einfach ist es nicht.» Die Gesundheit sei nicht garantiert, der Wohlstand sei nicht im Trockenen, das Schicksal sei nicht abgeschafft. Sogar uns Schweizer könne es treffen. Darum sei genau an diesem 1. August der Kronberg der ideale Ort, um dies symbolisch deutlich zu machen. So formuliert Hasler denn auch den Geburtsspruch der Schweizer-Sippe passend zum heurigen 1. August: «Wir sind am Berg, nicht auf ihm.»

Drei traditionell helvetische Tugenden
Am Berg seien die Schweizer mal richtig gut gewesen. Aber was brachte uns nach oben? Genau drei traditionell helvetische Tugenden: Freiheitsdrang, Erfindergeist und Gemeinsinn. Laut Hasler bastelte uns der Schöpfergott ein famoses Panorama hin. Darunter allerdings versteckte er keine Bodenschätze, kein Öl – zum Glück. So wussten wir Schweizer von Anfang an, dass wir uns selber helfen müssen, falls wir etwas erreichen wollen. Mit dieser Mentalität schaffte es das Völklein «voralpiner Knorze» laut Hasler wirtschaftlich an die Weltspitze. Beim Erfindergeist verweist er auf unsere berglerische Herkunft und betitelt die Schweizer als «homo alpinus helveticus». Die karge voralpine Lage lehrte uns, bescheiden, fleissig, bodenständig, robust und verlässlich zu sein. Nur seien wir längst keine Bergler mehr. Die helvetische Erfolgsstory habe begonnen, als wir es satt hatten, auf der Alp Geissen zu hüten und vor allem als wir begannen, gegen die alpine Abgeschlossenheit Brücken zu bauen. Der Gemeinsinn stärke zwar die Akteure. Mit der Zeit habe sich das aber gewandelt. Private Bedürfnisse würden heute über den Gemeinsinn gestellt.
Hasler fragte die Anwesenden, ob Corona uns wecke? Er selber glaube nicht, dass die CH-Sippe gross geläutert aus der Krise komme. Er hoffe allerdings, einige würden jetzt merken, dass sie nicht bloss Anhängsel seien am Veranstaltungskalender mit Sport, Konsum, Spass. Vielleicht erwache eine Art innere Freiheit, sobald die äusseren Freiheiten beschränkt seien. Doch etwas ganz anderes sei passiert: Plötzlich würden wir Kollegen, Kunden, Feierabendbier und die Geselligkeit vermissen. Wir hätten kapiert, dass das Leben nur als Privatbetrieb nicht tauge. Der Mensch sei im Kern ein soziales Wesen, welches an einem gemeinsamen Ziel, einer Zukunft mitwirken wolle. Und falls die Anwesenden ein Motto mögen: «Lasst uns mit dem Leben flirten, es aktiv gestalten – in eigener Verantwortung.»

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