Von der Kammermusik heisst es, sie sei die hohe Schule innerhalb der klassischen Musik. Wenn es hierfür noch eines weiteren Beweises bedürft hätte, so hat man ihn mit dem Auftritt des «Amaryllis Quartetts» zusammen mit Seon-Deok Baik und Martin Lucas Staub in der Kunsthalle Appenzell geliefert bekommen. Was die sechs Musikerinnen und Musiker in den drei Kompositionen an funkelnden Momenten erstehen liessen, war schlichtweg fabelhaft.
Auftakt mit Mozart
Das weltweit auftretende und mit hoch dotierten Auszeichnungen bedachte «Amaryllis Quartett» setzt sich zusammen aus Gustav Frielinghaus (Violine), Lena Sandoz (Violine), Mareike Hefti (Viola) und Yves Sandoz (Cello). Was in ihr an Befähigung zu hervorragendem, fein aufeinander abgestimmtem Musizieren steckt, liess die Formation in Mozarts 1782 entstandenem Streichquartett G-Dur KV 387 auf eindrucksvolle Weise erkennen. In allen vier Sätzen gab sie sich mit sichtbarer Musizierlust in die Komposition hinein und zeigte sich absolut auf der Höhe ihrer Aufgabe, wobei sie in unserem Empfinden namentlich im «Andante cantabile» Glanzlichter setzte. Wunderbar zu beobachten ist bei kammermusikalischen Aufführungen stets auch die mittels Blickkontakt gewährleistete, so eminent wichtige Kommunikation zwischen den Ausführenden – für das Publikum wird so akustischer mit optischem Genuss ergänzt.
Von Mozart gefördert
Dass ein Kontrabass in eine kammermusikalische Komposition eingebunden wird, ist eine Seltenheit. Johann Nepomuk Hummel (1778–1837), über längere Zeit Schüler Mozarts, hat in seinem 1802 entstandenen Klavierquintett es-Moll op. 87 – auch die Tonart bildet doch eher eine Ausnahme – Violine, Viola, Cello, Kontrabass und Klavier zusammengeführt. Anstelle von Lena Sandoz nahm die Südkoreanerin Seon-Deok Baik, ihres Zeichens Solo-Kontrabassistin des renommierten Zürcher Kammerorchesters, auf dem Podium Platz.
In dem gemäss den Erläuterungen von Martin Lucas Staub von Beethovens Sturmsonate inspirierten, sich durch einen herberen Charakter auszeichnenden Quintett hat Hummel den Interpretierenden die Bewältigung einiger Schwierigkeiten, gerade im Klavierpart, zur Aufgabe gemacht. Dem Quintett gelang eine untadelige Wiedergabe des Werks, das in gewissen Passagen auf Schuberts Forellenquintett vorausweist.
«Tschechische Köstlichkeit»
Das Ringofen-Jahresmotto «Tschechische Köstlichkeiten» nahm nach der Pause Antonin Dvoráks gross angelegtes Klavierquintett A-Dur op. 81 auf. Eine Köstlichkeit verdient aber nur dann als solche bezeichnet zu werden, wenn sie auch entsprechend zubereitet wird. Das war in der Interpretation durch das «Amaryllis Quartett» und mit Martin Lucas Staub am Flügel wahrhaftig der Fall. Die gut halbstündige Komposition mit dem ausladenden Kopfsatz zog die Zuhörerschaft schon von Beginn weg mit dem elegischen Einstieg von Klavier und Cello in ihren Bann, ehe sich dann Allegro-Lebhaftigkeit ausbreitete. Der in vielen seiner Werke erkennbaren Verbundenheit zur Volksmusik gewährt Dvorák auch in diesem Klavierquintett Raum. «Dumka» im zweiten und «Furiant» im dritten Satz stehen für das Wesen dieser Musik. Ihr nahmen sich das «Amaryllis Quartett» und Martin Lucas Staub mit grosser Hingabe an, wie sie überhaupt all die von Dvorák unterbreiteten musikalischen Themen vortrefflich herausarbeiteten. Viel Beifall belohnte die Interpretinnen und Interpreten.