Nach einer erklärenden Einführung durch den Regierungsrat Hansueli Reutegger diskutierten die Podiumsgäste intensiv, welcher Weg der bessere sei. Ganz besonders die Notwendigkeit von umfassenden Fusionen und die Wichtigkeit der Freiwilligkeit bei Gemeindefusionen wurden einander kontrovers gegenübergestellt. Dabei kam auch die unnötige Komplexität des Abstimmungsverfahrens zur Sprache.
Der Einladung der Parteipräsidienkonferenz Speicher folgten rund 100 Personen in die Räumlichkeiten der Pauluspfarrei. Wie es Christof Chapuis (FDP) in der Begrüssung ausführte, setzten sich die Veranstalter das Ziel, mehr Klarheit zu schaffen und das Interesse der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu wecken.
Ein strukturierter Prozess ist wichtig
Den ersten Anlauf zur Schaffung von Transparenz, unternahm der Regierungsrat Hansueli Reutegger (SVP) mit seiner Einführung in die Thematik. Der politische Weg, den die Fusionsfragen während der letzten Jahre genommen hat, führte zur nicht ganz einfachen Ausgangslage. Dies zeigte sich deutlich am anspruchsvollen Stimmzettel. Im Grundsatz führe der Gegenvorschlag der Regierung zur inzwischen zurückgezogenen Initiative zu guten Gemeindestrukturen und einem koordinierten Fusionsprozess. Bei der Eventualvorlage, welche den ursprünglichen Gedanken der Initiative aufnimmt, würden die Zusammenschlüsse von Gemeinden sanfter und lokal verantwortet vonstatten gehen.
Für den Regierungsrat ist die Variante des Eventualvorschlags keinesfalls einfacher. Der Regierung sei es wichtig, einen Grundsatzentscheid herbeizuführen. Veränderungen seien nötig und aus einer Position der Stärke besser zu bewerkstelligen als aus Gründen der Schwäche mit einem grossen Leidensdruck. Damit der Fusionsprozess in Gang kommt, spricht sich die Regierung klar für den Gegenvorschlag aus.
«Leidensdruck» klar erkennbar
Auf dem Podium begrüsste der Moderator Roger Fuchs als Befürworter des Gegenvorschlags Annette Joos (Komitee «Ja zu drei bis fünf Gemeinden») und Jens Weber (Präsident SP AR und Kantonsrat). Für den Eventualvorschlag machten sich Benjamin Schindler (Professor für öffentliches Recht) und Edgar Bischof (SVP) stark. Die Gruppeneinteilung durch den Moderator in «Hardcore-Fusionierer» und «Fusions-Softies» nahm Anette Joos gerne auf. Sie sei nämlich vom überzeugten Softie zur Hardcore-Fusionsbefürworterin mutiert. Die treibenden Kräfte seien ihre Ungeduld und die Überzeugung, dass es vorwärts gehen müsse. Auch sie unterstrich die Vorteile eines klaren Prozesses mit strukturierten Fusionen. In grösseren, fusionierten Gemeinden sei es einfacher, Behördenmitglieder und kompetente Verwaltungsangestellte zu finden, da die Aufgabengebiete vielfältiger und attraktiver seien. Die kantonsweiten Fusionen sehe sie als identitätsstiftenden Prozess. Identitäten von Dörfern würden nicht an Verwaltungsstandorten hängen und deshalb auch mit Zusammenschlüssen nicht verlorengehen.
In den Augen des zweiten «Hardcore-Fusionierers» Jens Weber ist der Leidensdruck grösser als oft angenommen. Mit einem 50-Prozent-Pensum, beispielsweise auf einer Bauverwaltung, sei es sehr schwierig gute Mitarbeitende zu finden und die geforderte Professionalität zu gewährleisten. Sowohl die Fusionen im Neckertal als auch im Kanton Glarus seien gute Beispiele, wie in den zusammengeschlossenen Gemeinden strategische und operative Aufgaben zwischen Gemeinderat und Verwaltung viel sinnvoller aufgeteilt werden konnten.
In Ausserrhoden würden heute 20 Mal dieselben Arbeiten für rund total nur rund 55‘000 Einwohnerinnen und Einwohner gemacht – das sei eine Verschwendung von Zeit, engagierten Menschen und Geld. Die Herausforderung sei, dass es heute mehrheitlich «noch gehe», aber in zehn Jahren werde dies nicht mehr der Fall sein. Zusammengelegte Verwaltungen seien kaum kostengünstiger, und um die Reduktion auf drei bis fünf Gemeinden umzusetzen, braucht es grosse finanzielle Mittel. Dem gegenüber stehe aber ein jährlich nötiger Finanzausgleich von rund 10 Mio. Franken, welcher nach den erfolgten Fusionen nicht mehr notwendig wäre.
Höhere Akzeptanz ohne Zwangsfusionen
Benjamin Schindler erweiterte den Fokus über den Kanton hinaus. So sei schweizweit viel Erfahrung mit Gemeindefusionen der letzten 50 Jahren vorhanden. Dabei habe sich immer wieder gezeigt, dass die Freiwilligkeit eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz der betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner sei. Mit einem guten Fusionsgesetz würden Zusammenschlüsse gefördert, wie dies in vielen Beispielen im Nachbarkanton St.Gallen zu beobachten gewesen sei. Auch er sei der Meinung, dass Fusionen kaum finanzielle Einsparungen bei der Verwaltung bringen würden. Aber unnatürliche Zwangsfusionen könnten die Situation sogar noch verschärfen – so hänge beispielsweise die finanziell schwache Gemeinde Glarus Süd trotz Fusion immer noch stark am Finanz-Tropf der beiden anderen Gemeinden.
Eine Studie der Uni Bern aus dem Jahre 2012 sei zur Erkenntnis gelangt, dass auch in grösseren Gemeinden die Herausforderung zur Besetzung aller Ämter gross sei. Viel eher als Fusionen sei eine Kantonalisierung von hochspezialisierten Aufgaben anzustreben. Dies funktioniere heute schon gut, beispielsweise bei den Steuern.
Für den in Teufen wohnenden Edgar Bischof sind Fusionen für sein Dorf nicht matchentscheidend, und er sehe auch nur wenig Leidensdruck bei den meisten Gemeinden in Ausserrhoden. Das Abstimmungs-Edikt interpretiere er so, dass Herisau und Teufen eigenständig bleiben würden. Das hätte zur Folge, dass die Übermacht der beiden grössten Gemeinden auch mit Zwangsfusionen nicht verändert würde. Er sehe es zudem als schwierig an, in grossen fusionierten Gemeinden lokal wichtige Infrastrukturprojekte umzusetzen, da viel zu wenig auf die Bedürfnisse der einzelnen Gemeinde-Teile Rücksicht genommen würde. Als Unternehmer ziehe er gerne Parallelen zur Privatwirtschaft: Eine Fusion zweier Firmen wäre undenkbar, wenn zuerst die Fusion beschlossen und erst anschliessend sichtbar würde, was die beiden zusammengeschlossenen Unternehmungen erwarten würde. Auch er erachtet es als den besseren Weg, zuerst ein griffiges Fusionsgesetz auszuarbeiten und damit sinnvolle sowie freiwillige Fusionen zu fördern.
Schliesslich waren sich alle Podiumsgäste einig: Ein Grundsatzentscheid sei wichtig und ein Nein zu beiden Fragen wäre ein fatales Ergebnis.
Abstimmungsfragen schwer verständlich
Aus dem Publikum wurde vor allem das Edikt mit seinen zu wenig verständlichen Abstimmungsfragen bemängelt. Für viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sei das Abstimmungsszenario zu kompliziert. Kritik übten die Besucherinnen und Besucher an den vielen nicht demokratischen Zweckverbänden und die oft nicht vorhandene Auswahl bei kommunalen Wahlen. Diese Probleme seien mit weniger und grösseren Gemeinden nicht mehr vorhanden. Benjamin Schindler hielt dem entgegen, dass beispielsweise im Kanton Glarus seit den Fusionen die Stimmbeteiligung deutlich zurück gegangen sei und es zudem eine nicht unerhebliche Zahl von Zweckverbänden in Ausserrhoden gebe, welche kantonsübergreifend seien und von Fusionen nicht betroffen wären.