«Etwas vom schönsten beim Konzert ist für mich, wenn ich unter den Zuhörenden lächelnde und freudige, zu Tränen gerührte Gesichter entdecke», sagt Kasimir Hochuli vor seinem Auftritt am Konzert in Trogen. Der 22-jährige Sänger kommt aus Gais und befindet sich im dritten Lehrjahr als Klavierbauer. Er singt im Appenzeller Jugendchor seit dem ersten Projekt vor zwei Jahren, ist also zum dritten Mal dabei. «Singen ist eine wunderbare Art, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen», antwortet er auf die Frage, wieso Singen für ihn «e Freud» sei und verrät, dass sein 87-jähriger Grossvater im Rollstuhl auch im Publikum anwesend sei und er insbesondere ihm «e Freud machen wolle». In seiner Freizeit befasst sich Kasimir Hochuli mit Musik, aber nicht nur: Er spielt Klavier und Cello, besucht Opern und Konzerte, fährt Ski, spielt Fussball und Schach. Zum Appenzeller Jugendchor kam er durch seine drei Brüder, die am Sonntagabend auch alle mit dabei sind.
Auf dem Weg zum Musiklehrer
«Singen ist meine Form der Entspannung und ermöglicht es mir so, Hobby und Beruf unter einem Dach zu vereinen», erzählt Ephraim Züst, der seine Jugendjahren in Meistersrüte, Eggerstanden und Appenzell verbracht hat. Der 22-jahrige Formel 1-Fan studiert an der Pädagogischen Hochschule und möchte nach seinem Abschluss als Oberstufenlehrer in erster Linie Musik unterrichten. Nebst dem Studium spielt Ephraim American Football in den Glarus Orks und singt im Chor der PHSG und im Appenzeller Jugendchor: «Ich habe zwar schon viel Chorerfahrung, aber es ist jedes Mal ein Erlebnis, sich in einem neuen Chor einzufinden. Es ist wahrlich ‹e Freud› mit diesem Chor zu singen», sagt er, während sich vor der Reformierten Kirche in Trogen bereits eine halbe Stunde vor Konzertbeginn eine lange Schlange bildet.
Der Realität entfliehen
Auch Zoe Neff aus Appenzell bedeutet singen mehr als Töne von sich geben: «Das Singen im Appenzeller Jugendchor, umgeben von wundervollen Menschen, verleiht einem das Gefühl, als würde man durch die Luft schweben. Von den Klängen getragen, entflieht man für einen Moment der Realität. Dieses Gefühl ist fantastisch», schwärmt die 24-jährige Theater- und Politikwissenschaft-Studentin. Im Appenzeller Jugendchor singt sie dieses Jahr zum ersten Mal mit, nachdem ihre beiden Cousinen sie dazu bewogen haben. Mit ihnen zusammen wohnt sie zurzeit in Bern und die drei singen oft zusammen in ihrer WG.
Mit etwas Verspätung aufgrund der zahlreichen Konzertbesucher, begrüsst sie das Publikum am Sonntagnachmittag in der übervollen Kirche und sagt, dass sie sich alle «fürchterlich freuten», ihnen das diesjährige Programm vorzutragen.
Chorleiterinnen aus Leidenschaft
Das Programm von «e Freud!» haben die Chorleiterinnen Anna Kölbener und Lea Stadelmann gemeinsam recherchiert und zusammengestellt. «Das war ein langer und intensiver Prozess, es war uns wichtig, ein vielfältiges Programm zu haben und dennoch einen dramaturgischen Bogen zu kreieren», sagen die beiden Masterstudentinnen in Chorleitung und Schulmusik. «Das diesjährige Programm ist auch deshalb besonders, weil der Jugendchor mit einem Orchester und mit Solistinnen auftritt», präzisieren sie. Die zwei 24-jährigen Frauen, die ihre Freizeit gerne draussen in der Natur verbringen, haben im Jahr 2021 gemeinsam den Appenzeller Jugendchor gegründet und haben seither die musikalische und organisatorische Leitung inne. Ihre Idee war, einen Chor für Jugendliche aus Appenzell Inner- und Ausserrhoden zu gründen, der eine Brücke bildet zwischen den zahlreichen Kinderchören und den Erwachsenenchören.
Von Rugguuseli bis Vivaldi
Der erste Konzertblock widmet sich der Volksmusik aus der Schweiz und Norwegen: Ein Rugguuseli, ein Jodellied, der «Aabästärn» von Andrée Moos und «Gropen». Bei letzterem handelt es sich um ein traditionelles norwegisches Tanzlied für Chor und Fidel, worin der Chor, statt Worte zu singen, die Artikulation einer Fidel imitiert. Das Kernstück bildet das Gloria in D-Dur RV 589 von Antonio Vivaldi. Das Musikgenie komponierte es in den Jahren 1713 – 1717 für einen Mädchenchor im «Ospedale della Pietà» in Venedig – ein Waisenhaus für Mädchen, in dem intensive musikalische Ausbildung erteilt wurde. Das Gloria ist ein fester Bestandteil des liturgischen Messetextes, worin es um Ehre, Lob, Ruhm und den Dank an Gott geht. Aber auch das Bitten um Gnade und Frieden spielt eine wichtige Rolle.
Der letzte Konzertblock beginnt mit einer «Body Percussion», die aus der Ideenküche des Appenzeller Jugendchors stammt: Dabei werden die Töne nicht mit der Stimme, sondern mit dem Körper erzeugt. Das finnische Stück «Kukka nukku tuutussasi» und «Some nights» von der amerikanischen Pop-Gruppe «Fun!» komplettierten die Stildiversität des Jugendchores, der nach tosendem Applaus die Konzertbesucher mit einem Jodellied verabschiedete.