Discounter als «Sensation» im Vorderland

1974 wurde in St. Margrethen der «Rheinpark» eröffnet. Dem von Vorderländer Ladenbesitzern zu Recht befürchteten Einkaufstourismus ins Rheintal wollte der Walzenhauser Willi Walser mit einem Lebensmitteldiscounter zuvorkommen. Der neue, als Sensation geltende Discounter öffnete seine Türen im November 1973.

  • Vor 50 Jahren eröffnete Willi Walser im markanten Türmlihaus einen Lebensmitteldiscounter, dem jedoch nur ein kurzes Leben beschieden war.  (Bild: Peter Eggenberger)

    Vor 50 Jahren eröffnete Willi Walser im markanten Türmlihaus einen Lebensmitteldiscounter, dem jedoch nur ein kurzes Leben beschieden war. (Bild: Peter Eggenberger)

Standort des Discounters war das markante Türmlihaus zwischen Bahnhof und Kirchplatz. Die grossen Schaufenster verraten bis heute, dass das 1902 erbaute Haus als «Grand Bazar» konzipiert worden ist. Das damalige Walzenhauser Allerweltsgeschäft war ein eigentliches Warenhaus mit Drogerie, Foto, Papeterie, Souvenirs, Spielwaren, Büchern und Tabakartikeln, und ausser Lebensmittel war hier fast alles erhältlich. Langjährig wurde das vielseitige Geschäft von Schützenkönig Emil Kellenberger und seiner Familie geführt. Anfang der 1940er Jahre erwarben Andreas und Käthi Eggenberger die Liegenschaft und führten den Laden mit ähnlich grosser Branchenvielfalt bis 1968 weiter.

Lederwaren statt Postbüro

Im östlichen Teil des Hauses befand sich das Postbüro, das aber 1959 in das neuerbaute Bahnhofgebäude verlegt wurde. In den freigewordenen Räumen eröffnete Willy Walser-Mazari einen Laden mit Schuhen und weitere Lederwaren wie Handtaschen und Portemonnaies, was ihm den Spitznamen «Lederpüntel» eintrug. Als aktives Mitglied des WIR-Wirtschaftsrings, als lautstark und polemisch debattierender Stammtischler und Lokalpolitiker im Rang des Vizehauptmanns war der nie um grosse Worte verlegene Walser eine schillernde Figur. Um Haaresbreite verpasste er 1966 die Wahl zum Gemeindehauptmann als Gegner des obsiegenden Jacques Niederer-Keller, dem Vater von alt Regierungsart Werner Niederer. 1968 übernahm Walser sämtliche Räumlichkeiten im Türmlihaus.

Jeder Dame eine Rose!

Angesichts der drohenden «Rheinpark»-Konkurrenz vollzog Walser gegen Ende 1973 kurzentschlossen eine radikale Kehrtwende: Er trennte sich vom Lederwaren-Sortiment und eröffnete ein Lebensmittel-Discountgeschäft. «Jeder Dame eine Rose!» hiess es in der Werbung vollmundig zum Eröffnungstag. Dem Experiment «Discounter» war aber nur eine Lebensdauer von einem guten Jahr beschieden, zumal Walser über keine Kenntnisse im Lebensmittelhandel verfügte. Nachdem es mit dem Bezahlen von Rechnungen der Lieferanten harzte, blieb teilweise auch der Waren-Nachschub aus. Nach einem Konkurs wurde das Haus im Herbst 1975 versteigert. Als neue Besitzer richtete das Ehepaar Hautle ein Ladengeschäft mit Haushalt- und Geschenkartikeln ein, das einige Jahre Bestand hatte. Seit Jahren stehen die einstigen Ladenlokalitäten leer, aber noch immer erinnern die Schaufenster an die grosse Zeit des Warenhauses und Discounters von Walzenhausen.

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