Die Cup Tasters ziehen ein Schlückchen Kaffee aus einem Löffel schnell und zischend in den Mund. Dadurch kommen alle Rezeptoren auf der Zunge in Kontakt mit dem heissen Getränk und die Aromen werden gleichzeitig bis in den Nasenraum «zerstäubt», wo Geschmacksnoten assoziiert werden: fruchtig, erdig, zitrusartig … «Unser Gehirn interpretiert einen Gesamteindruck aus Geschmack, Geruch, Aroma-Variationen und Textur», erklärt Bettina Hanimann. Sie darf sich seit dem Wochenende vom 7. und 8. Oktober Schweizermeisterin im Cup Tasting nennen. In Zürich Oerlikon fand vor Publikum im Rahmen des dreitägigen «Swiss Coffee Festival» neben anderen Wettbewerben die Meisterschaft statt. Als Siegerin wird Bettina Hanimann im Frühling 2024 an der Weltmeisterschaft in Chicago teilnehmen.
Kaffee «aussortieren»
Den 36 Teilnehmenden wurden auf der Bühne acht Mal drei Kaffeebecher «vor die Nase» gestellt. Zwei aus einer Dreiergruppe sind identische Kaffeeaufgüsse, einer ist anders. Diese acht «Aussenseiter» innert 8 Minuten zu identifizieren, ist die Aufgabe der Wettbewerbsteilnehmenden. Es gibt eine Vorrunde, einen Halbfinal mit acht und eine Finalrunde mit vier Teilnehmenden. «Das macht den moderierten Wettkampf für das Publikum spannend; es fiebert mit», erzählt die junge Frau aus St. Gallen, die in Appenzell im Konzept- und Kulturraum «ink» jede Woche Kaffeebohnen aus biologischem Anbau unter dem Label «SOLO Kaffee» röstet.
Gegen Ende des Wettkampfs sei sie immer entspannter geworden, gesteht sie. Neben der Anzahl richtig erkannter Kaffeebecher zählt auch die Geschwindigkeit. Bettina Hanimann siegte im Final mit acht korrekt gewählten Tassen in einer Zeit von 3 Minuten und 23 Sekunden.
Vorbereitet wie Spitzensportlerin
«Wenn man nervös ist, spielt die Sensorik verrückt», weiss sie aus Erfahrung. Sie hat zum dritten Mal am Wettbewerb teilgenommen. Dabei wird «nur» Kaffee geschlürft. Für die Analyse nach globalem Standard wird nach festgelegtem Protokoll zuerst frisch gemahlener Kaffee mit dem Geruchsinn wahrgenommen. Das Pulver wird mit 94 Grad heissem Wasser aufgegossen und die «Kruste» gebrochen. Das heisst: Schaum und Schwebeteilchen werden entfernt, damit diese beim Schlürfen nicht stören. Mit einem Speziallöffel, tief und mit gebogenem Stiel wie eine Schöpfkelle en miniature, wird zuletzt ein kleiner Schluck scharf eingezogen – und wieder ausgespuckt. Das nennt man «Cupping».
Diesmal hat sich Bettina Hanimann spezifisch, sowohl physisch als auch mental darauf vorbereitet. Sie hat mit dem Wettbewerbssetting trainiert, mit Kaffeemustern der Swiss Coffee Association und eigenen Mischungen. Damit trainierte sie die Wahrnehmung von Geschmack, Geruch und Textur. Sie hielt in den letzten drei Monaten eine Art Diät: möglichst wenig Zucker und Salz, kein Alkohol. In den letzten Wochen vor dem Wettbewerb mied sie Zwiebeln, Knoblauch und scharfe Gewürze. Weil sie in Wettbewerbssituationen nervös wird, hat sie sich auch mental vorbereitet: mit Akupunktur, mit Fokussierungstechniken und Visualisierung, wie sie verrät. Offensichtlich hat alles gewirkt.