Herisau | 03.05.2023 | 17:00 Uhr
gk
Zwischen Blumen und Grabsteinen: Ein Tag mit dem Herisauer Gartenbauamt
Das Herisauer Gartenbauamt gliedert sich in die drei Bereiche Produktionsgärtnerei, Friedhof sowie Schulsport- und Freizeitanlagen. Betriebsleiterin Christine Wittenwiler erzählt von ihrem abwechslungsreichen Alltag zwischen Grabsteinen, Gewächshäusern und Sportanlagen.
Der Friedhof an der Kreuzstrasse ist ein friedlicher Ort. Die gekiesten Wege, die weitläufigen Grünflächen und die gepflegten Gräber strahlen Ruhe aus. Hier, zwischen Kapelle und Familiengärten, scheint sogar die Zeit einen Moment innezuhalten. «Die Menschen sagen oft, dass sie sich hier oben nicht wie auf einem Friedhof fühlen, sondern wie in einem Park, an einem Ort der Stille.» Christine Wittenwiler geht durch eines der Gewächshäuser. Es ist die letzte Woche im April. Draussen zanken sich Wolken und Sonnenschein. «Der häufige Regen und die tiefen Temperaturen machen uns ein wenig einen Strich durch die Rechnung und werfen uns in unserem Zeitplan leicht zurück – obwohl der Regen ja ein Segen für die Natur ist», meint die Betriebsleiterin und blickt nach draussen. «Aber wir arbeiten mit dem Wetter, da lernt man schnell, dass nicht immer alles so läuft, wie man es gerne hätte.»
Durch die vielen Regenfälle sei es beispielsweise nicht möglich, die Rasen der Schulen und Sportplätze zu pflegen. Das Gartenbauamt sei zwar aus der ehemaligen Friedhofsgärtnerei entstanden, «aber mittlerweile umfasst unser Aufgabengebiet doch einiges mehr.» Dazu gehören neben dem Unterhalt des Friedhofs auch die Produktionsgärtnerei, die Baumpflege, verschiedene Arbeiten im Freibad sowie die Grünflächen im Dorf: Schulsport- und Freizeitanlagen oder Rabatten auf öffentlichem Grund, um nur einige zu nennen.
Viel Flexibilität gefordert
Die Natur fordert von den Mitarbeitenden des Gartenbauamts eine gewisse Flexibilität. «Wir haben eine Jahresplanung und wissen genau, welche Aufgaben wann und wo erledigt werden müssen. Aber wenn du an der frischen Luft arbeitest, musst du in der Lage sein, kurzfristig umzudenken. Arbeit gibt es auch bei
schlechtem Wetter genug, auch weil wir eine eigene Produktion haben.» Diese umfasst mehrere Gewächshäuser. In langen, gleichmässigen Reihen gedeihen hier Pflanzen für verschiedenste Zwecke: «Begonia und Knollenbegonia für die Vertragsgräber werden schon im Dezember ausgesät. Kulturen wie Fuchsia, Geranien, Chry santhemen und noch vieles mehr kultivieren wir von der Jung- bis zur Fertigpflanze.»
Die Blumentürme, die jeweils auf dem Obstmarkt stehen, können schon im Folienhaus bepflanzt werden. «So können wir die Blumentürme mit dem Frühlingsflor jeweils in einem Arbeitsgang durch diejenigen mit dem Sommerflor austauschen.» Die Blumentürme und die Schalen, wie sie beispielsweise bei der reformierten Kirche oder beim Sportzentrum stehen, müssen im Winter wieder eingelagert werden, damit sie den Winterdienst nicht behindern. «Für diesen Blumenschmuck erhalten wir viele positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung.» Die Entscheidung, welche Blumen angepflanzt werden, liegt beim
Gartenbauamt. «Wir achten darauf, dass wir nicht jedes Jahr dasselbe pflanzen. Es soll vielfältig und lebendig bleiben.»
Die Gräber werden zwei- bis dreimal im Jahr neu bepflanzt. Die Angehörigen können dabei aus dem Sortiment der Produktionsgärtnerei auswählen. «Dadurch entsteht eine Art individueller Menüplan für jedes Grab», erklärt Wittenwiler. «Für uns bedeutet das, dass wir fast das ganze Jahr über Pflanzen in den Gewächshäusern haben.» Wenn Hinterbliebene das Grab selbst pflegen und bepflanzen, dürfen sie bei der Gärtnerei des Gartenbauamtes einkaufen. «Allerdings gilt das nur für das Grab und nicht für den
Eigengebrauch zuhause. Ausserdem nehmen wir auch keine Aufträge für private Gärten an. Wir arbeiten ausschliesslich für die Gemeinde.»
Pausengespräche ohne Pflanzen
Christine Wittenwiler ist seit über drei Jahrzehnten für die Gemeinde tätig. «Die meisten in unserem Team sind seit mehr als zehn Jahren hier. Wir sind ein eingespieltes Team, das erleichtert natürlich die Arbeit. In den Pausen sprechen wir nicht über Pflanzen, sondern über Gott und die Welt.» Für die Leiterin und ihre Mitarbeitenden stellt die Arbeit auf einem Friedhof kein Problem dar. Wenn man mit dieser Nähe zum Tod nicht umgehen könne, sei man am falschen Ort. Es habe auch schon Bewerberinnen und Bewerber gegeben, die sich die Sache nach einem Rundgang über den Friedhof anders überlegt hätten. «Das liegt nicht daran, dass er nicht schön wäre, sondern weil es ihnen dann doch nicht zusagt. Das gibt es, und das akzeptieren wir. Bei uns muss jeder flexibel sein.»
Bislang habe das Gartenbauamt keine Mühe gehabt, offene Stellen zu besetzen. Dennoch spürt auch Christine Wittenwiler den Fachkräftemangel. «Bei der letzten Jobausschreibung hat sich zum Beispiel keine Frau beworben. Es gibt halt Berufe, die körperlich weniger anstrengend sind und besser bezahlt werden. Dinge von Hand zu machen, bei Wind und Wetter draussen zu sein – das wollen heute leider nicht mehr viele machen.» Dabei sei es eine abwechslungsreiche Arbeit, kein Tag sei wie der andere. «Und ich schätze es, nahe an den Pflanzen zu sein und jeden Tag die Fortschritte meiner Arbeit zu sehen.»
Eine Publikation der Gemeinde Herisau.