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Herisauer Jugendzentrum: «Die Jungen kleben nicht nur am Handy»

Das Jugendzentrum an der Gossauerstrasse bietet einen Ort für Jugendliche, an dem sie ihre Freizeit verbringen können. Leiterin Anne Herz-Barbey spricht über die Sorgen der heutigen Generation und erklärt, weshalb sie dank ihrer Arbeit jung geblieben ist.

  • Anne Herz-Barbey leitet das Jugendzentrum seit 14 Jahren. (Bild: gk)

    Anne Herz-Barbey leitet das Jugendzentrum seit 14 Jahren. (Bild: gk)

Es ist klein, das Büro von Anne Herz-Barbey. Am Drucker kleben die Reste von abgekratzten Stickern, in dem vollen Regal hinter dem Schreibtisch ragt ein alter Tischtennisschläger aus einer Kiste und an der Pinnwand hängen bunte Plakate und Broschüren. Die vielen Stühle am Tisch lassen erahnen, dass es bei Besprechungen eng werden kann. «Ich arbeite jetzt seit 14 Jahren hier und habe das Jugendzentrum mitaufgebaut. Meine Arbeit gefällt mir noch immer. Wir haben viele Freiheiten und ich kann jeden Tag etwas bewirken», erklärt Herz-Barbey.

Das Jugendzentrum bietet Schülerinnen und Schülern ab der 6. Klasse einen Raum, in dem sie ihre Freizeit verbringen können. «Am meisten schätzen die Jugendlichen, dass sie hier einfach mal nichts tun können. Im Alltag spüren sie Druck von den verschiedensten Seiten. Schule, Eltern, Freunde, Gesellschaft – sie bewegen sich in einem Spannungsfeld aus hohen Erwartungen.» Dazu kämen die jüngsten Negativereignisse wie Corona oder der Krieg. «Da tut es gut, einen Rückzugsort mit Freunden zu haben, an dem diese Themen auch mal zur Seite gestellt werden können.»

Im Alltag fehlen die Erfolgserlebnisse
In ihren 14 Jahren als Leiterin des Jugendzentrums hätten sich die Sorgen und Fragen der jungen Menschen nicht verändert. Nach wie vor seien Themen wie die Lehrstellensuche, der erste Liebeskummer, Mobbing oder Suchtprobleme zentral. «Was sich aber verändert hat, sind die Jugendlichen selbst», erklärt Herz-Barbey. «Früher mussten wir ihnen mehr Rahmenprogramm bieten. Heute schätzen sie die Ruhe und die Zeit für sich.» Die jungen Besucherinnen und Besucher bringen ganz unterschiedliche Biographien mit. Gewisse stammen aus schwierigen Verhältnissen. «Sie haben keine strukturierte Freizeit, oftmals eher wenige Erfolgserlebnisse in der Schule oder stammen aus anspruchsvollen Familienverhältnissen. Zu uns kommen also auch Jugendliche, die es im Leben nicht so leicht haben.»

Im Jugendzentrum sind sie an drei Tagen in der Woche willkommen: Mittwoch, Freitag und Samstag, dazu einmal im Monat auch am Sonntag. «Alle zwei Wochen findet am Samstag ein Anlass statt», erklärt Anne Herz-Barbey. «Das können kleine Sachen wie das Töggeli-Turnier oder Grillieren im Wald sein, aber auch aufwändigere Sachen wie ein Graffiti-Projekt.» Bei der Planung dieser Anlässe werden die Jugendlichen einbezogen. «Sie verbringen ihre Freizeit bei uns, da sollen sie Dinge unternehmen, die ihnen Spass machen. Wir sind keine Schule, die ihnen etwas beibringen muss.» Deshalb verzichten Herz-Barbey und ihr Team auch auf Vorträge zu bestimmten Themen. Die Jugendlichen wollten nicht belehrt werden. «Aber wenn ein solches Thema in einem Gespräch aufkommt, dann ist es unsere Aufgabe, dieses Problem anzusprechen und Optionen aufzuzeigen.»

Nah am Leben der Jungen
Durch diese gemeinsamen Erlebnisse entsteht eine Beziehung zu den jungen Besucherinnen und Besuchern. Trotzdem ist der Austausch zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen nicht immer
gleich intensiv. «Es gibt Jugendliche, die grüssen dich knapp und das war’s. Und dann gibt es jene, für die wir wichtige Bezugspersonen sind.» Das Jugendzentrum bietet deshalb ein niederschwelliges
Beratungsangebot. «Die Jugendlichen kennen uns bereits, es ist eine Vertrauensbasis vorhanden. Da fällt es leichter, sich einen Ratschlag zu holen.»

Durch ihre Arbeit mit jungen Menschen verliert Anne Herz-Barbey den Kontakt zu deren Lebenswelt nie. «Und ich bleibe jung und dadurch authentisch. Im Vergleich zu anderen Erwachsenen bin näher dran an den Themen, die Jugendliche beschäftigen.» Durch ihre Arbeit habe sich ihr Blick auf die Rolle der Eltern und die Geschichte hinter den Menschen verändert. «Als junge Erwachsene und vor meiner Tätigkeit in der Jugendarbeit konnte ich besonders auffälliges Verhalten nicht nachvollziehen. Heute versuche ich, die Gründe für ein solches Verhalten zu erkennen und in die Arbeit einfliessen zu lassen. Mein Ziel ist es, die positiven Seiten und Charakterzüge der Jugendlichen zu fördern.» Was sie nicht unterschreiben könne, seien Aussagen wie «Die Jugend von heute klebt nur noch am Handy». «Sie ist sehr engagiert und beschäftigt sich mit den grossen Fragen wie der Klimapolitik oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da kenne ich viele Erwachsene, die mehr vor dem Bildschirmen sitzen und sich weniger Gedanken um die Welt machen, in der wir leben.»

Eine Publikation der Gemeinde Herisau.

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