Nachlässig geführter Straffall: Staatsanwalt per sofort freigestellt

Der Leitende Staatsanwalt von Appenzell Innerrhoden, Herbert Brogli, hat die Untersuchung eines Todesfalls mit zu wenig Zielstrebigkeit durchgeführt. Dies steht in einem Bericht, den die Standeskommission in Auftrag gegeben hat. Brogli der bereits gekündigt hat, wird per sofort freigestellt.

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Auslöser der umfangreichen Abklärungen war die Behandlung des Unfalltods eines Jugendlichen durch die Staatsanwaltschaft: Der 17-Jährige war 2010 in seinem Lehrbetrieb in Appenzell in einem Warenaufzug ums Leben gekommen. Ermittelt wurde danach wegen fahrlässiger Tötung. Zu einer Gerichtsverhandlung kam es aber nie. Der Fall verjährte vorher – im September 2017. Nach heftiger Kritik reagierte die Standeskommission und erteilte dem auf heikle administrative Untersuchungen spezialisierten Zuger alt Regierungsrat Hanspeter Uster den Auftrag, die Bearbeitung des konkreten Fall zu überprüfen, sowie eine Organisationsanalyse der Staatsanwaltschaft vorzunehmen. Der Bericht liess danach jedoch länger auf sich warten.

Ende Juli 2018 teilte dann die Standeskommission mit, dass der Leitende Staatsanwalt Herbert Brogli seine Stelle nach zwölf Jahren auf Ende Januar 2019 gekündigt habe. Ein Zusammenhang mit dem Bericht Uster bestehe nicht, erklärte damals das zuständige Regierungsmitglied gegenüber Keystone-SDA. Die Ergebnisse seien weder der Standeskommission noch der Staatsanwaltschaft bekannt.

Heute veröffentlichte nun die Standeskommission das 54-seitige Ergebnis der Untersuchung. Die umfangreichen Abklärungen hätten insgesamt deutlich mehr Zeit beansprucht, als ursprünglich angenommen, heisst es in der Medienmitteilung dazu. Die zentrale Schlussfolgerung zum schliesslich nicht aufgeklärten Todesfall lautet, «dass der fallführende Staatsanwalt die Strafuntersuchung nicht mit der nötigen Zielstrebigkeit, Planung und Umsicht durchgeführt hat». Im Bericht wird der gesamte Ablauf der letztlich erfolglosen Strafuntersuchung Schritt für Schritt nachvollzogen. Aufgeführt werden auch Details, wie der Briefwechsel zwischen dem Anwalt des Opfers und dem Staatsanwalt: Mit einem am 1. Juni 2011 verschickten Schreiben hatte der Anwalt die schleppende Verhandlungsführung als enorme Belastung dargestellt. Die Antwort folgte erst am 29. Juli.

Im Bericht ist immer wieder die Rede von der hohen Arbeitsbelastung in der kleinen Innerrhoder Staatsanwaltschaft, die zudem in engen Räumlichkeiten untergebracht ist. «Auch unter den geschilderten Umständen sollte eine zeitgerechte Bearbeitung eines fahrlässigen Tötungsdelikts mit der entsprechenden Prioritätensetzung möglich sein», heisst es dazu. Die Standeskommission will nun auf die Vorschläge von Hanspeter Uster reagieren. Neben einer besseren Arbeitsorganisation geht es auch um die Rahmenbedingungen. So seien wegen der beengten Platzverhältnisse neue bauliche Lösungen in Sicht. Geplant sind auch Änderungen bei der Aufsicht der Staatsanwaltschaft und der Gerichte.

Die Ergebnisse des Berichts haben auch personelle Konsequenzen: Herbert Brogli wird per sofort freigestellt. Man sei übereingekommen, dass der Leitende Staatsanwalt bis zum Ende der laufenden Kündigungsfrist all seine amtlichen Funktionen zur Verfügung stelle, teilte die Standeskommission mit. Bis ein Ersatz gewählt ist, übernimmt interimistisch Staatsanwalt Damian Dürr die Leitung.

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